Business Breakfast

Rückblick 197. BB: 30 Jahre proviel GmbH

Die proviel GmbH formulierte zu ihrem 30-jährigen Jubiläum einen Appell für die wichtige Aufgabe der Arbeitsmarktintegration.

Depressionen. Bipolare Störungen. Psychosen. Es gibt viele Formen von psychischen Erkrankungen. Manche leben schon seit ihrer frühesten Kindheit damit, manche entwickeln sie erst später. Das heutige Business Breakfast setzte einen Appell, diesen Menschen eine Chance zu geben. Näher gesagt, eine Chance am Arbeitsleben teilzuhaben.

Genau dafür setzt die proviel GmbH sich ein. „Toll, dass so viele von Ihnen gekommen sind, um mehr über diese wichtige Arbeit zu erfahren“, begrüßte Antje Lieser, Geschäftsführerin von wuppertalaktiv!, die Gäste in der Alten Glaserei. „Die Integration in den Arbeitsmarkt ist eine enorm wichtige Aufgabe für unsere Gesellschaft und die Wirtschaft“. Dieser geht proviel auf den Tag genau seit 30 Jahren nach. „Der 19.09.1994 war ein besonderer Tag für Wuppertal. Damals ist proviel als Werkstatt für Menschen mit psychischer Erkrankung gestartet – als erste im Landschaftsbezirk Rheinland“, erzählte Christoph Nieder, Geschäftsführer seit auch schon stolzen 13 Jahren.

Heute sind über 1.000 Menschen in den proviel-Werkstätten beschäftigt. Als Dienstleister für die Industrie übernehmen die „provieler“ Montage- und Verpackungsarbeiten, Metallbe- und verarbeitung, Laserbeschriftungen, Kontoll- und Prüfarbeiten. Jeder so, wie er es leisten kann.

Nicht alle Gäste des Business Breakfast konnten vielleicht nachvollziehen, was es heißt, mit einer psychischen Erkrankung zu leben oder kennen Betroffene in ihrem näheren Umfeld. Einen höchst emotionalen Einblick gab die Poetry Slammerin Anna Lisa Azur. In ihrem Stück „Wie die Hoffnung höchstpersönlich“ erzählte sie davon, wie es ist, wenn ein geliebter Mensch an Depressionen leidet. Von Rat- und Hilflosigkeit in schlechten Phasen bis Optimismus und Stolz nach begonnener Therapie. Langer Applaus zeigte, dass ihre Worte das Publikum berührt hatten.

Bei proviel wissen sie, wie wichtig eine sinnvolle Aufgabe und ein strukturierter Alltag für die Menschen und ihr eigenes Selbstwertgefühl ist. Viele blühen wieder auf. Manche früher, manche später. Jeder Mensch ist anders. Bei proviel wird deshalb nicht der Mensch für die Arbeit ausgesucht, sondern die Arbeit für den Menschen. Je nach Stärken, Fähigkeiten und Interessen. „Es ist unsere Aufgabe, den Menschen wieder neuen Glauben an sich selbst zu geben“, so Nieder.  

Doch die Zukunft von proviel und anderen Werkstätten zur Arbeitsmarktintegration ist fraglich. Kürzungen im Haushalt könnten zur Reduzierung solcher Angebote führen, fürchtet Christoph Nieder. „Es ist naiv zu glauben, dass diese Menschen dann automatisch auf den ersten Arbeitsmarkt kommen würden“. Proviel hat viele Kooperationen mit lokalen Unternehmen und Institutionen, bei denen die „provieler“ sich ausprobieren können. Von 700 schließen sieben bis acht einen festen Arbeitsvertrag ab. Zu wenig für die Politik, die zu viel auf Statistiken schaue, kritisiert Nieder. 27 Monate wird den Menschen in der Regel eingeräumt, um fördernde Maßnahmen zu durchlaufen. Nicht selten dauert es jedoch Jahre, bis sie auf dem ersten Arbeitsmarkt wieder Fuß fassen. Gibt man ihnen diese Zeit nicht, nimmt man vielen die Chance auf diesen Erfolg.

Über den Mutterverein forum e.V. unterstützt proviel im Auftrag des Jobcenters auch Langzeitarbeitslose mit multiplen Vermittlungshemmnissen dabei, wieder in den Beruf zu finden. Doch solche Maßnahmen können künftig vielleicht nicht mehr finanziert werden. Bis zu 50 Prozent der Mittel könnten gestrichen werden. Wenn es so kommt, befürchtet Nieder steigende Arbeits- und Perspektivlosigkeit für viele Menschen.

Der NRW-Landtagsabgeordnete Josef Neumann versprach, sich einzusetzen. „Werkstätten wie proviel bieten soziale Stabilität. Das ist ein Mehrwert, der nicht aufgegeben werden darf. Sonst ist keine Inklusion möglich.“ Gerade in Zeiten, in denen die Vielfalt in der Gesellschaft zunehmend bedroht sei. So nimmt es auch Stefan Kühn wahr, der 20 Jahre als Sozialdezernent in Wuppertal gearbeitet hat. „Wir kämpfen für den Sozialstaat und die Würde aller Menschen, weil andere dagegen kämpfen“.

Häufiger Zwischenapplaus zeigte, dass die Redner das Publikum bei diesem emotional aufgeladenen Business Breakfast auf ihrer Seite hatten. Und nicht wenige gingen mit dem Gefühl nach Hause, dass der Name proviel Programm sein sollte: Er steht nämlich pro Vielfalt. Auch im Arbeitsleben.

 

Auch beim kommenden Business Breakfast wird ein Jubiläum gefeiert. Die Aptiv Services Deutschland GmbH feiert 150 Jahre Automotive-Tradition und lädt für den 24. Oktober in ihre Europazentrale auf den Ronsdorfer Südhöhen ein.